In der Reihe „Backstage: Karrieren, Klischees und was wirklich zählt“ stellen wir unterschiedliche Tätigkeitsfelder rund um das Management von Kommunikation vor, geben Einblicke in den Berufsalltag und räumen mit Klischees auf. In dieser Ausgabe zum Thema Public Affairs sprechen wir mit Boris Barth, Executive Director für Corporate & Public Affairs bei Fink & Fuchs, einer Kommunikationsberatung mit Spezialisierung auf Innovation und technischen Wandel.
Was bedeutet „Public Affairs“ oder „politische Kommunikation“?
Public Affairs bedeutet, Dialog mit politischen Entscheider:innen zu führen. Wie auch in anderen Bereichen der Kommunikation geht es darum, Themen strategisch zu platzieren, Abgeordnete für Anliegen zu gewinnen und zu verstehen, worauf politische Entscheidungsträger:innen in der Kommunikation anspringen. Vielen Unternehmen und Kommunikationsverantwortlichen fehlt das Wissen über politische Mechanismen – wir kennen den Politikbetrieb und beraten sie, wie sie ihre Themen zur richtigen Zeit an die richtigen Personen herantragen.
Vielen Unternehmen und Kommunikationsverantwortlichen fehlt das Wissen über politische Mechanismen – wir kennen den Politikbetrieb und beraten sie, wie sie ihre Themen zur richtigen Zeit an die richtigen Personen herantragen.
Inwiefern ist Public Affairs strategische Kommunikation?
Politische Kommunikation ist per se strategisch, da Politik die Rahmenbedingungen für unser Handeln schafft. Unternehmen, die beispielsweise auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen sind, haben ein Interesse daran, politische Entscheidungen in diesem Sinn zu beeinflussen. Solche erfolgskritischen Weichenstellungen erfordern gezielte Kommunikation, da sie direkte Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb haben – und daher strategisch sind.
Was macht ihr im Bereich „Public Affairs“ bei Fink & Fuchs?
Wir bringen unsere Auftraggeber:innen in Kontakt mit der Politik – sei es bei Unternehmensbesuchen, Gesprächen im Bundestag oder eigenen Veranstaltungen wie einem parlamentarischen Frühstück. Im Fokus steht immer, Relevanz für unsere Kund:innen zu erzeugen, damit sie über ihre Themen sprechen können. Deswegen versuchen wir auch, die richtigen Leute in der Politik, also zum Beispiel Abgeordnete und Entscheider:innen in den Ministerien zusammen zu bringen, damit unsere Auftraggeber:innen gehört werden. Es gehört auch zu unseren Aufgaben, die Informationen unserer Kund:innen für die Politik aufzubereiten, um überhaupt in den Dialog zu kommen.
Die Cases, die wir haben, sind ganz unterschiedlich. Wir arbeiten zum Beispiel mit unseren Kund:innen am Thema Kreislaufwirtschaft. Das bedeutet erstmal viele regulatorische Anforderungen, die dazu führen sollen, die Umweltbelastung der Industrieproduktion zu verringern. Was das dann im Detail heißt, ist aber oft unklar. Also müssen wir Wege finden, damit umzugehen und offen darüber sprechen, was machbar ist und wo Grenzen liegen – und das gut und verständlich kommunizieren.
Wie leicht fällt es dir, dich in Themen einzuarbeiten, die nicht zur klassischen Expertise eines Kommunikators gehören?
In der Kommunikation bist du Generalist:in mit einer immensen Themenvielfalt. Meine Themen sind so abwechslungsreich wie die der Politik. Ich muss mich immer erst selbst einarbeiten, um die Sprache, Arbeits- und Denkweise der Kund:innen zu verstehen, denn ich arbeite oft mit Menschen zusammen, die nicht aus der Kommunikation kommen. Wenn ich etwas nicht verstehe, frage ich nach, denn sonst kann ich auch nicht darüber kommunizieren. Meine Orientierung bleibt jedoch immer mein Handwerk: Wie kann Politik dazu beitragen, dass ein Unternehmen erfolgreich ist?
In der Kommunikation bist du Generalist:in mit einer immensenThemenvielfalt. Meine Themen sind so abwechslungsreich wie die der Politik.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?
Mich beschäftigt immer, wie ich die Themen unserer Kund:innen auf die Agenda bringe. Dabei muss ich mitdenken, was die politische Kommunikationskompetenz ist, also wie ich durch meine Beratung dazubeitragen kann, einen Mehrwert zu schaffen. Unternehmen wollen nicht nur reagieren, sondern ihre Interessen aktiv vertreten. Idealerweise passiert das in einem steten Diskurs zwischen Wirtschaft und Politik, sodass es auch spezifische Themen auf die Agenda schaffen.
Dazu muss ich wissen, was auf der Agenda steht und was die Abgeordneten machen, die für die Themen der Kund:innen die Berichterstattung haben. Hier kommt es darauf an, ob Sitzungswoche ist oder nicht. Sitzungswochen sind geprägt vom Handeln des Bundestages, da gibt es oft Gesetzentwürfe und hitzige Debatten, also viel Informationsarbeit.
Ich muss aber auch schauen, was überhaupt auf die Agenda gelangt. Dafür verfolge ich die geregelten Beratungsabläufe. Gibt es ein Gesetz, das gerade debattiert wird? Finden Fachministerkonferenzen mit den Bundesländern statt? Gibt es da die Möglichkeit, ein Länderthema einzustreuen?
Zudem beobachte ich, was das Kabinett langfristig plant. Dafür verfolge ich Entwicklungen, besuche Netzwerkveranstaltungen und passe auf, worüber Abgeordnete in Hintergrundgesprächen sprechen. Ich muss möglichst überall präsent sein und mithören.
Berätst du deine Kund:innen über längere Zeit hinweg oder gibt es auch kurzfristige Aufträge?
Es ist gemischt, aber Public Affairs erfordert meist einen längeren Atem. Werden neue Kund:innen erst aktiv, wenn schon ein Gesetzentwurf vorliegt, sind sie sehr spät dran. Deswegen gilt sowohl für die Meinungsbildung als auch für die Positionierung, langfristig zu denken. Das macht glaubwürdiger und eröffnet die Option, kontinuierlich mitzudiskutieren, auch über Wahlperioden hinaus. Viele Themen werden in einer Wahlperiode nur debattiert, aber nicht entschieden. Das heißt, es kann für die nächste Regierung wieder ein Thema werden. Um das eigene Thema zu besetzen, muss man auch die entsprechenden Leute kennen. Deswegen sind Beziehungsaufbau und Netzwerkarbeit essenziell. Auch hier lohnt es sich, langfristig zu denken.
Wie wirken sich Wahlen auf deine Arbeit aus?
Wahlen bedeuten Veränderung – nicht nur in den Regierungen, sondern auch im Wahlkreis. Ich überlege schon vor der Wahl, wo ich frühzeitig ins Gespräch gehen kann, damit Abgeordnete meine Themen aufgreifen und verhandeln. Dann kommen sie vielleicht ins Wahlprogramm oder den Koalitionsvertrag. Der ist zwar nicht bindend, aber man ist immerhin auf der Agenda.
Mit der Wahl selbst kommen und gehen Abgeordnete. Das heißt, ich muss neue Kontakte knüpfen, in Beziehungen vor Ort investieren und erzählen, was das Unternehmen oder die Organisation umtreibt. Dafür kann ich eine Positionierung und Botschaft formulieren und dann die Abgeordneten einladen, um darüber zu sprechen.
Parallel muss ich über die gesamte kommende Legislaturperiode nachdenken: Was sind mögliche Herausforderungen, die jetzt kommen? Was bedeutet das für die Kund:innen und die Kommunikation?
Was sollte man mitbringen, wenn man Public Affairs machen will?
Es ist total wichtig, daran interessiert zu sein, was um einen herum passiert. Politische Kommunikation entsteht nicht im luftleeren Raum, auch Abgeordnete und ihre Mitarbeiter:innen informieren sich über klassische und soziale Medien. Ich muss also den Meinungs- und Medienmarkt kennen und wissen, was gelesen und zur Kenntnis genommen wird. Dazu kommt ein Interesse daran, zu verstehen, wie Machtlogiken, Koalitionen und Allianzen auf Zeit funktionieren. Wer unterstützt wen in seinen Gesetzentwürfen? Welche Bundesländer arbeiten miteinander? Sich damit auszukennen – das ist unerlässlich für politische Kommunikation.
Welche Klischees kursieren zu Public Affairs und wie möchtest du sie gerne entkräften?
Als ich begonnen habe zu arbeiten, war noch vom „Geldkoffer-Lobbyismus“ die Rede. Ich glaube, beide Seiten, Interessenvertreter:innen wie Regierungen, schreiben sich mittlerweile mehr Transparenz auf die Fahne. Es gibt das Lobbyregister, in dem viele Anforderungen erfüllt sein müssen, damit ich Zugang zu den Regierungs- und Parlamentsgebäuden habe.
Außerdem gibt es immer noch die Vorstellung, dass alles sehr Event-getrieben ist, aber das hat sich durch die Pandemie verändert. Es ist durchgedrungen, dass Veranstaltungen weniger Partycharakter haben, sondern fachlich sind, auch aufgrund der Budgetlimits der Veranstalter:innen.
Was macht dir am meisten Spaß bei deiner Arbeit?
Vor allem der Kontakt zu den Menschen im Politikbetrieb auf allen Ebenen; in der Interessenvertretung auf der einen und in der Regierung und den Abgeordnetenbüros auf der anderen Seite. Das sind interessante, kommunikationsstarke Menschen, die für ihre Themen brennen und die oft übergeordnete gesellschaftliche Themen vertreten oder Ziele verfolgen.
Genauso fasziniert mich die Genese und Entwicklung von Themen und Regulierungsvorhaben. In der Regel gibt es nicht einen Gesetzentwurf, der beschlossen wird, sondern viele Debatten. Da ist ein Gestaltungswille. Was wollen wir regeln? Wie wollen wir als Bundesrepublik, aber auch als EU-Mitglied wahrgenommen werden? Das begeistert mich, denn es zeigt die übergeordnete Positionierung unseres Landes sowohl nach innen als auch nach außen. Dabei laufen viele Themen über mehrere Jahre hinweg und dann wird geprüft: Hat das Gesetz die gewünschte Wirkung erzielt? Brauchen wir eine Novelle? Ich weiß gar nicht, die wievielte Novelle vom Erneuerbaren-Energien-Gesetz wir mittlerweile haben. Es werden immer wieder neue Aspekte ausgehandelt. Das finde ich spannend.
Das sind interessante, kommunikationsstarke Menschen, die für ihre Themen brennen und die oft übergeordnete gesellschaftliche Themen vertreten oder Ziele verfolgen.
Was würdest du Berufseinsteiger:innen raten, die sich für Public Affairs interessieren?
Ich würde mir mindestens eine überregionale Zeitung und ein internationales Medium suchen und da regelmäßig reinschauen. Regelmäßig heißt, mehrfach am Tag beobachten, welche Themen gespielt werden, auch international. Wir beschäftigen uns oft mit EU-Themen. Nicht, weil sie uns direkt betreffen, sondern weil sie bedeutsam sind für die europäische Perspektive. Deswegen lohnt es sich auch zu schauen, was andere Länder beschäftigt.
Außerdem würde ich Neugier im Sinn von „Ich habe Lust, mit Menschen ins Gespräch zu kommen“ empfehlen. Man kann den Job nicht nur vom Schreibtisch aus machen. Es gibt Veranstaltungen, zu denen man geht. Dort trifft man sich, informiert sich und tauscht sich aus. Das gehört genauso dazu wie eine gewisse Unvoreingenommenheit und Neutralität. Natürlich passt mir persönlich nicht jede Fraktion im Bundestag, aber für die Arbeit muss ich eine übergeordnete, systemische Perspektive einnehmen.
Das heißt nicht, dass ich mit jedem dicke sein muss. Aber gerade in der Beratung müssen wir uns mit den Tätigkeiten aller Fraktionen auseinandersetzen, denn sie haben Rederecht im Parlament. Das heißt, ich höre ihre Argumente und kann mir überlegen, was ich dazu sage. Um eine Positionierung zu entwickeln, muss ich es zumindest zur Kenntnis nehmen. Eine gewisse Offenheit in der Kommunikation zu allen Fraktionen schadet also nicht.
Vielen Dank an Boris Barth für die Zeit und Offenheit beim Blick hinter die Kulissen und Ilka Deike-Dehnert vom HR-Team von Fink & Fuchs für die gemeinsame Planung des Beitrags!