Unter dem Titel „Vom Geldkoffer zur Lobby-KI? Public Affairs zwischen alten Mythen und neuen Technologien” fand am 24. Oktober 2019 das Format WISSENschafftPRAXIS des LPRS e.V. statt. Dr. Daniel Wixforth, Partner bei 365 Sherpas Corporate Affairs & Policy Advice, war in Leipzig zu Gast und gab einen Einblick in die besonderen Herausforderungen einer politischen Beratung in Zeiten der Digitalisierung.
Politik steht heutzutage unter Dauerbeobachtung und Wirtschaft kann nicht mehr unpolitisch sein. Mit diesen Thesen beginnt Daniel Wixforth seinen Vortrag vor den Leipziger Studierenden. Was bedeutet das konkret für Politiker und Unternehmen? Einerseits müssen Politiker jederzeit darauf achten, wie sie in der Öffentlichkeit auftreten. Dabei kann es von Vorteil sein, die digitalen Medien zu nutzen, um sich selbst in der Öffentlichkeit zu positionieren – bevor es andere tun. Auf der anderen Seite können Unternehmen politischen Fragen nicht mehr aus dem Weg gehen. Sie müssen bereit sein, politisch Stellung zu nehmen. Beratungen wie 365 Sherpas helfen ihnen dabei, in der politischen Sphäre zurechtzukommen. Sie schlagen die Brücke zwischen Wirtschaft und Politik und machen beide Sphären miteinander kommunikationsfähig, erklärt Daniel Wixforth. Dafür ist es wichtig, aktuelle und anstehende Gesetzgebungsverfahren zu kennen, über gesellschaftliche Debatten und Entwicklungen Bescheid zu wissen und übergeordnete politische Entwicklungen zu beobachten.
Die wertvollsten Marken gehören heute den Digitalkonzernen – ein klares Zeichen für die hohe Bedeutung der Digitalisierung für Wirtschaft und Politik. Die Märkte verändern sich und der Bedarf an neuen Regulierungen wächst, wodurch auch die Digitalpolitik immer relevanter wird. Politik sucht in digitalen Zeiten Orientierung und Modernisierung. Intransparenz kann sie sich nicht mehr leisten. Das gilt auch für den Lobbyismus, der lang nicht mehr so klandestin daherkommen kann wie früher vielleicht einmal. Außerdem setzen sich Lobby-Interessen bei Weitem nicht immer durch. Das lässt sich beispielhaft an der Anti-TTIP-Bewegung von 2015 illustrieren. Das Abkommen gibt es bis heute nicht, obwohl es die deutsche Wirtschaft damals einhellig befürwortete. Die Interessenvertretung wird zudem nicht nur immer transparenter, sondern auch immer digitaler. Neue Tools machen etablierte Strukturen überflüssig. „Die Branche steht vor einem deutlichen Qualitäts- und Professionalisierungsschub”, sagt Daniel Wixforth. Zentrale Fähigkeiten eines modernen Beraters sind für ihn digitalpolitische Fachkompetenz, Datenkompetenz und unternehmerische Qualitäten. Die soziale Kompetenz bleibt aber dennoch die wichtigste Größe in der Lobby-Arbeit: „Am Ende entscheidet immer der Faktor Mensch.”
Kurzinterview:
Der Begriff Lobbyismus hat für Viele einen negativen Beigeschmack. Transparenz kann man bei „geheimen Machenschaften” und „Hinterzimmer-Deals” eher nicht erwarten, oder? Was ist an solchen Vorurteilen dran? Wird man auch im beruflichen Alltag damit konfrontiert?
Dr. Daniel Wixforth: Man wird damit konfrontiert und ich finde das auch gar nicht schlimm. Ich glaube, dass es ein Teil der Modernisierung unserer Branche ist, sich damit offen auseinanderzusetzen und zu sagen, wie wir arbeiten, welche Standards wir uns selbst setzen und dass ich in zehn Jahren Politikberatung noch nicht einmal bei einem „Hinterzimmer-Deal” dabei war. Im Gegenteil: Es gibt längst eine Entwicklung, die auf verschiedenen Ebenen mehr und mehr Transparenz verlangt. Politik will und muss heute transparenter sein und Unternehmen haben Compliance-Richtlinien, die zu mehr Transparenz anhalten und verpflichten. Und das ist auch gut so. Nichtsdestotrotz müssen wir unsere Arbeit und das Verhältnis von Wirtschaft und Politik immer wieder erklären – gerade in der breiteren Öffentlichkeit, die sich nicht jeden Tag mit dem Thema beschäftigt. Ich finde, wir sollten damit auch kein Problem haben. Wir sollten offen damit umgehen, dass Interessenvertretung nicht nur legitim, sondern in einer Demokratie sogar notwendig ist, aber dass sie natürlich auch gewissen Standards unterliegen muss. Das ist für mich eine Frage der Professionalität.
Digitalisierung ist ein Thema, mit dem sich nicht nur die Gesellschaft und viele Branchen der Wirtschaft beschäftigen, sondern das auch in der Politik weit oben auf der Agenda steht. Welche Rolle spielen neue Technologien wie Big Data und KI für die Public Affairs?
Für uns als Branche spielen neue Technologien schon eine Rolle, aber sicher noch nicht so eine große, wie sie es eigentlich müssten. Unsere Kompetenz liegt momentan ganz oft noch darin, Unternehmen zu beraten, wie man mit diesen großen Technologien politisch umgeht. Wir müssen in den Fragen kompetent sein, wie diese Technologien funktionieren, was dahinter steckt und wie sie politisch reguliert werden. Das ist aber eine andere Ebene als die Frage, wie wir als Branche diese Technologien selbst nutzen, um unsere Beratungsleistung zu verbessern. Dahingehend, glaube ich, wird in Zukunft noch ganz viel passieren und auch ganz viel passieren müssen. Ich glaube es ist wichtig, dass wir junge Leute für Public Affairs begeistern – Digital Natives, die ein Gespür für diese Technologien mitbringen, weil sie damit aufgewachsen sind. Nur so kann die Branche zukunftsfähig bleiben. Da haben wir – wie andere Branchen auch – noch viel vor uns.
Vor welchen Herausforderungen stehen politische Beratungen heute und welche großen Veränderungen kommen auf die Branche zu?
Ich glaube, eine wichtige Herausforderung ist, dass Kommunikation immer schneller wird, auch politische Kommunikation. Davon lassen sich nicht nur die Politik, sondern manchmal auch Wirtschaftsakteure treiben. Für uns als Berater, ähnlich wie für Journalisten übrigens auch – obwohl wir uns sonst eher nicht vergleichen –, wird es immer wichtiger, auch mal den Schritt zurück zu machen, auf die Bremse zu treten und analytisch einzuordnen. Sich mal zu fragen, ob wir jetzt eigentlich auf jeden schnellen Zug aufspringen müssen. Oder ob es nicht an der einen oder anderen Stelle auch Sinn machen kann, kurz auf Pause zu drücken und nachzudenken: darüber, wie ich als Unternehmen in gewissen Situationen kommuniziere, wie überlegte Kommunikation aussieht, oder vielleicht auch mal gar nicht zu kommunizieren. Das heißt nicht, dass man in vielen Situationen nicht auch reaktionsfähig und schnell sein muss, aber eben nicht in jeder Situation. Ich glaube, diese Kompetenz wird immer wichtiger werden. Zu unterscheiden, wann ich mit allem mitgehe und wann ich vielleicht mal nicht alles mache, was technisch und operativ möglich wäre. Den Kunden darin zu beraten und ihm dabei zur Seite zu stehen – das ist eine Herausforderung, mit der wir jetzt schon zu tun haben und mit der wir in Zukunft noch mehr zu tun haben werden.
Text & Interview: Lisa Burgstedt