Welche Kompetenzen muss man als Kommunikationsberater*in mitbringen und wie entwickelt man eine Berater*innenpersönlichkeit? Um den angehenden PR-Professionals des LPRS diese Fragen zu beantworten, fand die letzte Station der Roadshow der Gesellschaft der führenden PR- und Kommunikationsagenturen (GPRA) am 8. Januar in Leipzig statt. Anders als bei den Terminen mit den Studierendeninitiativen in Hohenheim, Mainz, Darmstadt, Münster und Lingen sollte es dieses Mal allerdings nicht mehr um die zum Teil sehr emotional geführte Gehaltsdebatte gehen. Vielmehr sollte verdeutlicht werden, welche Expertise die Agenturen von uns als Studierenden bzw. Absolvent*innen erwarten und welche Kompetenzen erst in einem Traineeship erlernt werden können.
Wie bei jeder Station der Roadshow fand die Veranstaltung in Form einer Podiumsdiskussion statt, an der sich jedoch auch das Publikum (ca. 30 LPRS-Mitglieder) jederzeit aktiv beteiligen konnte. Teil des Panels waren Alexandra Groß, Stellvertretende Präsidentin der GPRA und Vorständin bei Fink & Fuchs, Anastasia Sementsova, Junior-Beraterin bei A&B One, Johannes Söller, Account Executive bei FleishmanHillard sowie Sven Wagener, Associate Public Affairs bei Weber Shandwick. Die beiden Vorstandsvorsitzenden des LPRS, Julia Dietlmeier und Helene Lamprecht, vervollständigten die Runde. Thomas Dillmann, Chefredakteur des PR-Journals, moderierte durch den Abend.
Zu Beginn der Diskussion gab Alexandra Groß einen kurzen Überblick über die Arbeit von Kommunikator*innen in Unternehmen und in Agenturen. “Das Entscheidende ist: Eine Agentur ist keine Durchlaufstation, sondern bildet ein eigenes Berufsbild des Kommunikationsberaters aus”, machte sie deutlich. Während man sich in der Unternehmenskommunikation sehr schnell spezialisiere und wenige Möglichkeiten habe, sich thematisch breit aufzustellen, sei dies aufgrund mehrerer paralleler Mandate in der Agentur anders. Zudem sei das Strategie-Denken mehr gefordert. Aktuell finde darüber hinaus ein Umdenken des Selbstverständnisses der Agenturen statt: weg von der Werkbank hin zum Beratungshaus. “Die Anforderungen steigen.”
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sehen es die Agenturen als ihre Aufgabe, junge PR-Berater*innen nach ihrem Studium weiterzuqualifizieren. Veranschaulicht wird dies mit dem sogenannten Kompetenzkreis, der sich aus fachlichen, persönlichen, methodischen, sozialen sowie Selbst-Kompetenzen zusammensetzt.
Laut Groß sei die Fach- und Methodenkompetenz der PR-Absolvent*innen beim Berufseinstieg zwar schon vorhanden, die persönliche (Begeisterungsfähigkeit, Eloquenz), soziale (Kommunikationsfähigkeit, Konfliktbereitschaft) sowie Selbst-Kompetenz sei jedoch noch nicht ausgeprägt und könne erst durch das Traineeship erlernt werden. Julia Dietlmeier stand dieser Aussage mit Blick auf das Masterstudium Communication Management in Leipzig eher kritisch gegenüber und betonte, dass viele dieser sozialen Kompetenzen bei den Studierenden bereits vorhanden seien: “Wir arbeiten in jedem Projekt in Teams, in denen wir auch beispielsweise Führungs- und Controller-Rollen einnehmen. Konfliktbereitschaft ist da ein großes Thema. Ich würde behaupten, das ist sehr ähnlich dazu, wie man später im Job in Teams zusammenarbeitet.” Natürlich müsse man die Kompetenzen noch weiter ausbauen, aber insgesamt würden die Studierenden aus Leipzig schon sehr viel mitbringen. Dem stimmte Alexandra Groß zwar einerseits zu, zum anderen seien diese “Rollenspiele” aus dem Studium jedoch nicht vergleichbar mit der Projektarbeit in einer Agentur, bei der es innerhalb des Teams auch reale hierarchische Unterschiede gebe. Diese Erfahrung könne man jedoch wirklich erst nach dem Berufseinstieg sammeln, denn: “Ein Praktikum oder Werkstudentenjob ist keine echte Berufserfahrung”.
Nachdem Anastasia Sementsova, Johannes Söller und Sven Wagener kurz die Möglichkeit hatten, sich selbst und ihren jeweiligen Werdegang vorzustellen, startete schließlich die tatsächliche Diskussion. Diese drehte sich zunächst vor allem darum, ob denn Unternehmenskommunikator*innen wirklich weniger strategisch arbeiten würden als Berater*innen und ob Agenturen nicht doch letzten Endes nur die Werkbank für Unternehmen seien. LPRS-Beirat Professor Ansgar Zerfaß betrachtete die Diskussion aus einem anderen Blickwinkel: Er stellte die Frage in den Raum, was denn eigentlich die berufliche Vision ausgebildeter PR-Berater*innen sei. Für ihn spiele hier die unternehmerische Perspektive (Wie werde ich irgendwann Chef*in einer Agentur oder wie kann ich eine leitende Position in meinem Unternehmen übernehmen?) eine entscheidende Rolle, die von der GPRA auf ihrer Roadshow bisher noch keine Beachtung fand. Alexandra Groß begrüßte die Frage zwar, erwiderte jedoch: “Wir reden gerade vor allem über Absolventen, die die erste berufliche Entscheidung treffen: Gehe ich in eine Agentur oder ein Unternehmen? Ich glaube an dieser Stelle denken die Absolventen noch nicht darüber nach, wie viel Management-Expertise sie sich in den frühen Jahren aufbauen wollen”. Diese Aussage erntete umgehend Widerspruch von Julia Dietlmeier, die wie die meisten Personen aus dem Publikum bereits in ihrem Studium in Leipzig klassische Management-Kompetenzen in verschiedenen Vorlesungen und Seminaren erwirbt: “Ich denke schon, dass sehr viele den Anspruch haben, in Zukunft eine leitende Position auszuüben und mit diesem Anspruch auch in eine Agentur gehen. Wir beobachten nur immer wieder, dass man die Agentur sehr oft wechseln muss, um aufzusteigen. Vielleicht müsste man einen Weg finden, Einsteigern zu zeigen: Wenn ihr hier bleibt und euch weiterentwickeln wollt, dann ist das möglich. Wie man bis zur Geschäftsführung kommt, ist vielen von uns einfach nicht klar.” Laut Alexandra Groß sei dies allerdings - zumindest bei der Agentur Fink&Fuchs - ganz klar geregelt: Das Angebot sei immer da. Interessenten für eine Position in der Geschäftsführung würden sich aber selten finden. Sie plädiert dafür, dass die Studierenden und Absolvent*innen für sich selbst herausfinden, ob man im Job eher auf der fachlichen Ebene bleiben möchte oder ob man auch dazu bereit ist, den Fachbereich Kommunikation für betriebswirtschaftliche Aufgaben in gewisser Weise aufzugeben. Dieser Position stimmte auch Professor Zerfaß zu, nicht nur in Hinblick auf eine mögliche geschäftsführende Tätigkeit in einer Agentur, sondern auch ganz allgemein bezogen auf die Entscheidung zum Berufseinstieg: “Jeder hat seine Chance. Es stellt sich eher die Frage, wie viel jeder bereit ist, in diese erste Zeit zu investieren.”
Abschließend lässt sich sagen, dass die Diskussion sicher alle Beteiligten zum Nachdenken anregen konnte: Kommt für mich ein Berufseinstieg in einer Agentur in Frage oder nicht? Bei der Debatte wurde jedoch aus den Augen verloren, dass die von der GPRA angesprochenen LPRSler*innen alle einen kommunikationswissenschaftlichen Hintergrund haben. Von den angereisten Trainees war jedoch nur eine Person mit einem Abschluss eines kommunikationswissenschaftlichen Faches anwesend. Dadurch ist eine Vergleichbarkeit der Argumente für ein Traineeship in der Agentur nicht gegeben. Die Voraussetzungen sind schlicht andere, wenn man aus dem Spezialfeld der Politikwissenschaft kommt. Außerdem besteht - zumindest bei den Studierenden aus Leipzig - nach wie vor der Eindruck, dass die fachlichen, sozialen und persönlichen Kompetenzen, die im Studium, in Praktika sowie in Werkstudentenjobs entwickelt werden, von den anwesenden Agentur-Vertreter*innen noch nicht ausreichend anerkannt und geschätzt werden. Umso mehr begrüßt es der LPRS, dass die GPRA den Dialog mit den Studierendeninitiativen weiterhin fördert und zusammen mit den Studierenden Lösungen finden möchte, wie eine Zusammenarbeit in Zukunft aussehen könnte, die auf beiden Seiten Zufriedenheit schafft.