PR-Salon mit Julia Bönisch von sueddeutsche.de – Chefredakteurin im digitalen Zeitalter

Schwindende Leserzahlen, mangelnde Zahlungsbereitschaft und ein Wackeln der Grundpfeiler, auf denen Zeitungen einst bauten. Das ist Journalismus heute. Die Digitalisierung hat in diesem Bereich einiges auf den Kopf gestellt und fordert etablierte wie neue Zeitungsredaktionen täglich heraus. Eine, die sich vor dieser Herausforderung nicht scheut, ist Julia Bönisch, Chefredakteurin von Süddeutsche.de. Seit 2007 arbeitet sie in der Onlineredaktion der Süddeutschen Zeitung und wurde Ende 2017 in die Chefredaktion berufen. Am 27.Juni 2019 begrüßte sie der LPRS zu einer spannenden Diskussion im Rahmen des PR-Salons. In vertrauter Atmosphäre erzählte sie den Studierenden von ihren Erfahrungen als Chefredakteurin im digitalen Zeitalter. Die kritischen Fragen der Moderatoren Florian Dietsche (Aktiver des LPRS e.V.) und Prof. Alexander Godulla (Professor für Empirische Kommunikations- und Medienforschung an der Universität Leipzig) beantwortete sie offen, ehrlich und vor allem: direkt.

Von der analogen zur digitalen Marke

Die Studierenden des LPRS müssen an diesem Abend ein frustrierendes, aber reales Bild der jüngeren Leserschaft der SZ dargestellt haben. Niemand der Anwesenden besaß ein Online-Abo, geschweige denn ein Print-Abo der Süddeutschen Zeitung. Sich für die Inhalte interessieren, das täten die Studierenden schon, doch bezahlen dafür? Das Geld scheint bei Netflix und Amazon doch besser angelegt zu sein. Die Gründe für die mangelnde Zahlungsbereitschaft kennt Julia Bönisch. Sie weiß, dass die SZ, genau wie jede andere Zeitung in Deutschland, hart für ihre Leser kämpfen muss. Diese Situation zu meistern, das ginge nur über konsequent gute Inhalte und der ständigen Prüfung, ob der Content auch attraktiv sei. Bönisch führte aus, dass ein Umdenken stattfinden müsse, um eine stärker nutzerorientierte Arbeitsweise zu etablieren. Die Transformation und Kollaboration zwischen Print und Online Redaktion sei dabei manchmal fordernd, könne aber im besten Fall Synergien schaffen, die zu einer starken Marke online und offline führen. Die Süddeutsche Zeitung als großes Haus habe viele Vorteile gegenüber anderen Anbietern und arbeite ständig an sich und ihren Produkten, erzählt Frau Bönisch.

Redaktionen im Change Prozess

Die permanenten Umbrüche in der Umwelt der Zeitungen gehen nicht spurlos an Mitarbeitenden vorbei. So erscheint es besonders in diesen Zeiten wichtig, stark zu führen. Dies sei nur bedingt möglich, gibt Julia Bönisch zu bedenken. Die Sicherheit, die sich Mitarbeitende von ihr und ihren Kollegen wünschen, könne sie nicht konsequent vorleben. Wer wisse schon, wie die Welt der Redaktionen in einem Jahr aussieht? Was Julia Bönisch jedoch weiß, ist, dass man als Organisation entscheidungsfreudiger werden muss, um den Angestellten nicht nur Aufgaben „digital on top“ aufzuerlegen, sondern um eine sinnvolle Fokussierung auf bestimmte Produkte zu gewährleisten. Julia Bönisch beschreibt ihre tägliche Arbeit als Balanceakt zwischen verschiedenen Sicht- und Arbeitsweisen. Die digitale Transformation sei omnipräsent spürbar und erfordere hohes Engagement.

Als Frau an der Spitze

Bei einem vorrangig weiblich dominierten Studiengang und Verein war es natürlich nur logisch, dass zwei Männer durch den PR-Salon führten und die Fragen an Julia Bönisch stellten. Kleiner Scherz. Allen Anwesenden brannte gleichermaßen eine Frage besonders unter den Nägeln:

Wie ist es als Frau an der Spitze? Nicht immer leicht, die Antwort. Julia Bönisch erklärte, dass man sicherlich ein dickeres Fell da oben brauche, dabei sei es aber egal, ob Frau oder Mann. Als Frau müsse man sich eben auch trauen, Entscheidungen zu treffen und nicht mit jedem „Best-Buddy“ zu sein. Am Wichtigsten sei jedoch der Punkt, ob man führen will. Man müsse sich selber ehrlich prüfen und sich dieser Frage stellen. „Die schlimmsten Chefs sind immer die, die gar nicht Chef sein wollen. Seid ehrlich zu euch selbst.“ erzählte sie den gespannten LPRS-Mitgliedern.

Journalisten – eine bedrohte Art?  

Ob als Chefin oder Redakteur, auch das Berufsbild des Journalisten hat sich massiv geändert. Journalisten heute sollten Allrounder sein und können aus allen Fachbereichen stammen. Gerade diese Fachexpertise mache die Redaktion der SZ so vielfältig und präzise. Ob es sich heute noch lohne Journalist zu werden müsse jeder für sich entscheiden, so Julia Bönisch. Ihre persönliche Leidenschaft habe sie immer vorangetrieben. Natürlich sei der Beruf heute nicht mehr so attraktiv wie noch vor 20 Jahren, dafür sei alleine die Bezahlung zu schlecht. „Wenn einem aber so eine Strache-Aktion gelingt, dann hat man das Gefühl, man kann wirklich was bewegen. Und das ist ein tolles Gefühl.“

Gut recherchierte Inhalte bringen eben auch heute noch die meisten Klicks und manchmal auch eine Regierung zu Fall. Dafür muss sich der steinige Weg zwischen Print und Online lohnen.

Der LRPS – Leipziger Public Relations Studenten e.V. bedankt sich bei Julia Bönisch für die spannenden und persönlichen Einblicke in die Arbeitswelt einer Chefredakteurin.

Text: Jeanne Link

Foto: Tom Kornblum

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